Nikola Šop (1904 - 1982)


Bio-Bibliographie

AN JESUS IM TABERNAKEL <=> ISUSE U SVETOHRANIŠTU


AN JESUS IM TABERNAKEL

I
ALLEIN


Ich kleiner Wandrer, aufs neu zieh ich bald
Unter dem schiefen Hut durch die Welt, ganz allein.
Du bist gegangen, du liebe Gestalt
schimmerst verborgen im heiligen Schrein.

Vielleicht ist das Brot, jenes weiße, dein Ort.
Im Tabernakel, vor dem das Fackellicht glimmt.
Bist du mit Herz und mit Seele und Körper nun dort.
Find ich hier etwa Balsam? Ich bin täglich verstimmt.

An deinem Haus nur vorbei geh ich meine Runden,
wo du dich versteckst im Schrein mit Goldbeschlag.
Voll Sorge meine Seele, mein Herz voller Wunden,
die Ewigkeit durchwachte es, wie einen Tag.

Ich enthülle dir alles, was ich verberge in mir,
damit du mir deine Hand auch am schweren Tag reichst.
Aufs Heftigste spreche ich, flüstere mit dir,
doch du Unsichtbarer schweigst nur und erbleichst.

Und da, immer öfter, stocke ich, bleibe stehen,
vergesse, meine Mütze zu ziehen vor dir bei den Hecken.
Spät in der Nacht muss ich einsam gehen
mit nur einem Abendmahlbündel am Stecken.

II
TRAUM


Einst kehr ich zurück in mein kleines Quartier,
nach etlichen Tagen ist dies mein Lohn.
Spät am Tisch schlaf ich ein und ich träume von dir,
bei meinem Schwarzbrot und dem Krug aus Ton.

Das Brot, so nah, es zaubert im Traum für mich
einen dörflichen Pfad, der durch Weißdorn sich windet,
und um ihn bäumt schlaftrunkner Weizen sich,
der das Säuseln mit sattem Mehlduft verbindet.

Im Traum bin ich glücklich, in allem sehr froh,
spür kein Begehren, und dass nichts mir mehr fehle:
umarmen nur möcht ich den Brotlaib, und so
hör ich’s in ihm atmen, dein Herz, deine Seele.

(Aus dem Kroatischen von Cornelia Marks)


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Nikola Šop, geboren 1904 in Jajce, Bosnien, gestorben 1982 in Zagreb, Kroatien. Er ist ein kroatischer Dichter aus Bosnien und Herzegowina.
Zeit seines Lebens veröffentlichte er sieben Gedichtsammlungen sowie Novellen und Dramen. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Lehrer und übersetzte klassische Texte aus dem Lateinischen ins Kroatische.

Im damaligen sozialistischen Jugoslawien erfuhr er wenig Anerkennung. Er konnte als Dichter aufgrund seiner vordergründig christlichen Motivik zeitweise nichts publizieren.

Das Werk Nikola Šops illuminiert vor allem ein Einsamkeitsinterieur, eine sozusagen erleuchtete Einsamkeit, in welcher sich seine imaginäre poetische Welt bewegt, mehr als nur in reiner Religiösität, die manchmal auch spontan aus seinen Gedichten wie ein natürlicher Geistes- und Bewusstseinszustand hervorstrahlt.

Šop wird oft als moderner Christ charakterisiert, der die Menschlichkeit über die Dogmen stellt. Mit einer naiven Gutherzigkeit und menschlichen Wärme widmet er seine Verse ohne Gottesfurcht „seinem“ Jesus, als würde er seinem einzigen Freund die Hand reichen und mit ihm Gut und Böse, Freud und Leid teilen. Das betrifft besonders auf seine frühen Gedichtsammlungen zu, wie beispielsweise „Gedichte eines armen Sohnes“ (1926) und „Jesus und mein Schatten“ (1934). Später erlangt die spezifische Religiosität in den Werken Šops auch eine kosmische Dimension und entfaltet eine ganz einzigartige, mystische Ästhetik, zum Beispiel in „Astralije“ (1961).


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