Hadžem Hajdarević (*1956)


Bio-Bibliographie

AFRIKANISCHE TIGER <=> AFRIČKI TIGROVI
Des Dichters Winter <=> ZIMA PJESNIKOVA
ICH BAUE EIN HAUS <=> ZIDAM KUĆU
WO BIST DU IN DIESEN JAHREN <=> GDJE SI TI OVIH GODINA


AFRIKANISCHE TIGER

Tiger leben nicht in Afrika! Tiger leben
In Indien, mein verwirrtes Dichterlein!
– Sprach sie, durch ein funkelndes Lachen,
Während das Straßenlicht durch die Jalousie
Tigermuster durchs gesamte Hotelzimmer
Spannte, und aus dem warmen Dunkel
Leuchteten ihre Katzenaugen ...

Ich weiß nicht, warum Afrika, und warum ich
In Afrika, warum aus dem Käfig die Visionen
Die ungebändigten Raubtiere freilassen ...
Gleichwohl musste auch ich mich aufmachen
Mit der Kavallerie des jungen makedonischen
Kaisers und aufschrein: O indisches Land!
All das vermochte ich, dass nicht auf einmal
Die Tiger ins stille Hotelzimmer einfielen
Und beginnen würden, scharrend an allen
Wänden zu kratzen und ihre Zähne zu schärfen
Am flimmernden Saumkranz des Lichts ...

Ich erwog, dass es wohl gut wäre, die Augen
Zu schließen und wie ein Kind zu sagen,
Dass es nichts Existentes und nichts Unwirkliches
Gibt, das früher oder später sich nicht
Sehen lassen würde ... Es wäre gut, die Hände
Loszulassen, dass sie selbst vom Torso abgleiten,
Und vom Bett, und dass sie aufbrechen danach
Zum Tigerfell, das die Helligkeit der Straße
Durch die Jalousien und die müden Wimpern
Heftet und zerreißt wie eine Kinderzeichnung,
Die kaum, wie ein Raubtier, lebendig sein kann ...

Aus dem Bosnischen von Cornelia Marks und André Schinkel


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Des Dichters Winter

Feuer im Ofen, das sich aufschwingt, verharrt.
Die Flamme, erstickt, heimtückisch, am Rauch.
Wieviel gibt es, in Fäulnismaterie vernarrt,
Von jener Glut, die sortierte Tage gebraucht

Im Blut des Anfangs, den Wunden des Tods?
Das dicke Licht, das nicht tropft und nicht fließt
Im Herzen des Baums, dessen Ästewerk sprießt
In den Himmel, suchend im Ahnen-Geglos ...

Das Feuer im Ofen, das das Auge verwirrt –
Der Funke, metaphorisch: ein Intrigen-Getos?
Und wir lodern, Asche, gereiht, heben verirrt

Den Saum der Fackel-Gedanken, jene, lustlos,
Die der gelangweilte Leser pustend entsorgt
Oder gekreuzigt, mit dem Band des Ur-Infernos.

1992/1993

Übertragung und Nachdichtung: Cornelia Marks und André Schinkel

Aus dem Gedichtband „Na sonetnim otocima“ / „Auf den Sonett-Inseln“, 2005


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ICH BAUE EIN HAUS
                                                                                                  Für Amra
So viele Menschen, und so viele pferdehaarbraune Berge, und Täler,
Durch die alle Heiligen galoppiern, alle Götter, so viele Plateaus
Auf denen die Juni-Glühkäfer das Gold über die geschmeidige Erde
Säen, während, tief unter dem Lehm, die silbernen Erze harren,
Weite Silikonfelder, so viele Orte, in denen
Die Finger Gottes aus dem Tag in die Nacht den Humus zerbröseln und
Den gequollenen Samen kräftigen, so viele urbare Länder, und herrliche Gegenden,
Und klare Flüsschen, die klarer als Tränen auf dem Blatt des Löwenzahns sind,
Und fruchtbare Äcker, und wilde Wälder, soviel Kühle,
In der die Maifrauen in ihre Sonnenkleider schlüpfen,
So viele Hügel und sanfte Ebenen, wo Engel
Die Düfte würzen und die Winde, so viel aufgekeimte irdische
Liebe und Eitelkeit unter dem Himmel …
Und hier, genau hier,
Genau an diesem Ort,
Und nirgendwo anders,
Meine Schöne,
Baue ich
Unser Haus!

15. XII. 2005.

Aus dem Bosnischen von Cornelia Marks und André Schinkel

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WO BIST DU IN DIESEN JAHREN

Auszug aus dem Roman - Kapitel XII

Aus dem Bosnischen von Cornelia Marks


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Dichter und Prosaautor, wurde 1956 in Kruševo bei Foče (Bosnien und Herzegowina) geboren.
Er studierte Literatur- und Sprachwissenschaft an der Philosophischen Fakultät in Sarajevo und arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Sprachwissenschaft.

Er ist der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes Bosnien und Herzegowina, Mitglied des P.E.N.-Zentrums BiH und seit den letzten Jahren Vorsitzender des Organisationskomitees des Internationalen Poesiefestivals Sarajevoer Tage der Poesie.

Hadžem Hajdarević veröffentlichte mehr als zehn Gedichtbände und mehrere Bücher Prosa (Erzählungen, Kolumnen, einen Roman). Für sein dichterisches Werk wurde er in seiner Heimat wiederholt mit Preisen geehrt.


Poesie
• "Seoba obala", Svjetlost, Sarajevo, 1981
• "Koje Nuhove lađe", Veselin Masleša, Sarajevo, 1987
• "Žive vode", Veselin Masleša, Sarajevo, 1990
• "Pjesme ponornice", IPC i udruženi Izdavači, Sarajevo, 1995
• "Četvera ušća", izabrane pjesme, Ljiljan, Sarajevo, 1995
• "Peto ušće", Bosanska knjiga, Sarajevo, 1997
• "Nausikajina kći", izabrane pjesme o ljubavi, Damad, Novi Pazar, 1999
• "Sutrašnje putovanje brodom", Ljiljan & Bemust, Sarajevo, 2000
• "Ušća", Sto knjiga bošnjačke književnosti, VI KOLO (sa S. Mehmedinovićem), BZK Preporod, Sarajevo, 2003
• "Na sonetnim otocima", Vrijeme, 2004
• „Kiša rujanka ušiva rasute nerve“, Dobra knjiga, Sarajevo, 2018.

Prosa
• "Priče sa Dobrinje", anegdotalna proza, Bemust, Sarajevo, 1999
• "Klinika za plastičnu hirurgiju", priče, Ljiljan, Sarajevo, 2000
• "Kišno društvo", kolumne, Tugra, Sarajevo, 2006
• „Gdje si ti ovih godina“, roman, Dobra knjiga, Sarajevo, 2021.
Auszeichnungen
• Auszeichnung der Poesieabende Trebinje 1982
• Auszeichnung „Svjetlost“ 1982
• Auszeichnung „Skender Kulenović“ 1996

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